Nikon D90 Erfahrungsbericht
Nikon D90 im richtigen Leben
Die D90 war vom Namen her keine grosse Überraschung, schon Monate vor ihrem Erscheinen war die Nikon-Welt selbst ohne Gerüchteküche davon überzeugt, eine Consumer-Variante der D300 könne nicht mehr lange auf sich warten lassen. Und dass sie D90 heissen würde, das war schon klar, als die D80 vorgestellt wurde.
Mein erster Eindruck, als ich sie dann auf dem Bildschirm sah, war demnach wenig euphorisch: eine D80 mit besserem Sensor, so sah es zumindest auf den ersten Blick aus. Als ich dann aber das "Kleingedruckte" las, war ich doch mächtig überrascht: nicht nur der Sensor wurde in das kleine Gehäuse verpflanzt, sondern auch noch die meisten der sonstigen D300-Eigenschaften wie der wunderbar grosse und hochauflösende Bildschirm auf der Rückseite der Kamera oder die Staubentfernung auf dem Tiefpass-Filter vor dem Sensor. Und als Sahnehäubchen obendrauf noch die Möglichkeit zu Filmen.
Zeitgleich stellte Nikon ein neues Standard-Objektiv für die D90 vor: AF-S 18-105mm / f3.5-5.6 G ED VR. Von den Daten, dem Zoom-Umfang und den Kosten her eine optimale Lösung. Und mit einem hohen Anspruch: denn das erste DX-Standard-Zoom AF-S 18-70mm, das mit der D70 das Licht der Welt erblickte, hat trotz seines etwas eingeschränkten Zoom-Umfangs den guten Ruf der Nikon-DSLR's mit begründet, vor allem durch die (vor allem im Vergleich zum Billig-Standard-Zoom der Konkurrenz) hervorragende Abbildungsleistung und fühlbare mechanische Qualität. Die Latte liegt also hoch, zumal mit dem AF-S 18-200mm G ED VR und dem kleineren Bruder mit dem Bereich 16-85mm schon zwei überdurchschnittlich gute (aber auch teure) Alternativen den Karpfenteich bevölkern.
Konzentrieren wir uns im Rahmen dieses Berichtes aber auf die Kamera.
Vorweg: dies ist kein Bericht für Technik-Freaks. Wer genaue Daten, Lautstärke-Messungen des Auslösers, Millisekunden vom Einschalten bis zur Betriebsbereitschaft sucht, der sei auf die Nikon-Homepage und die bekannten Test-Seiten verwiesen. Mich hat die Kamera aus dem Blickwinkel des Anwenders interessiert, und diese Eindrücke findet Ihr nachfolgend.
Nun gibt es ja nicht "DEN" Anwender, sondern jede Menge verschiedene Erwartungen an die Kamera und deren Einsatzgebiet. Folgende Konstellationen tauchen aber in den Fragen auf unserem Forum immer wieder auf:
- ist die D90 eine gute Einsteiger-Kamera, oder ist sie zu kompliziert?
- ich habe eine D40(x)/D70(s)/D80, soll ich die D90 kaufen oder doch auf die D300 sparen?
- soll ich eine gebrauchte D200 oder doch eine neue D90 kaufen?
- ist die D90 ein sinnvolles Zweitgehäuse für meine D300?
Die Formatfrage DX/FX (die sich vor allem seit dem Erscheinen der D700 stellt) lasse ich weg, der Kostensprung dahin ist einfach zu gross (und ich würde in zwei Monaten noch schreiben). Betrachten wir aber erst einmal die zentralen Eigenschaften der Kamera. Die Antworten auf die Fragen ergeben sich dann teilweise von alleine.
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Nikon D90 - Frontansicht
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Gehäuse
Das Gehäuse entspricht in der Grösse dem der D80, ist also um einiges kleiner als das der D70(s) und natürlich auch als das der D200/D300. Es ist aussen vollständig aus Kunststoff gefertigt, innen gibt es ein Aluminium-Chassis, was aber kein Nachteil ist, da aktuell kein Kamerahersteller so gute (objektiv wie subjektiv) und in sich schlüssige Gehause baut wie Nikon. Anders als die D300 verfügt sie über keine Abdichtung gegen Regen oder Staub, so dass der Reportagearbeit unter solchen Bedingungen Grenzen gesetzt sind.
Die Bedienelemente zeigen klar die Zuordnung der Kamera zum Consumer-Bereich, was nicht unbedingt ein Nachteil ist. Das betrifft die sofort sichtbaren Elemente wie das Programmwahlrad genauso wie die Menüführung auf dem Bildschirm. Vor allem hier ist die Verwandtschaft zur D60 ein klarer Vorteil gegenüber älteren Nikons: obwohl die Menge der Einstellungen immer mehr ins Kraut schiesst, ist die Menüstruktur und die Bedienung im Menü sichtbar besser als bei älteren Nikon DSLRs.
Akku und Multifunktionshandgriff
Die D90 besitzt den selben Akku wie die D80, D200 und D300, den EN-EL3e Akku. Mit der D80 teilt sie sich auch den Multifunktions-Handgriff. Nicht jeder ist ein Freund dieses Handgriffs, da er die Kamera grösser und schwerer macht. Ich liebe die Dinger jedoch, weil die Kamera damit ruhiger zu halten und stabiler zu greifen ist. Zudem passen in den Griff zwei Akkus, oder auch 6 Standard AA-Akkus, so dass man auch auf billigere Normteile zugreifen kann. Die Leistung der Akkus ist erstaunlich: mit der Test-Kamera (ohne Handgriff, also nur mit einem Akku) habe ich über 500 Bilder gemacht, und der Balken für die Batterie-Anzeige ist gerade mal von Voll auf ¾-Voll gerutscht. Geholfen hat dabei sicherlich, dass ich grundsätzlich ohne den internen Blitz arbeite.
Die Einstellräder
Mit den grösseren Nikons teilt sich die D90 das vordere Einstellrad. Während die D40/D60 nur über ein Einstellrad hinten auf Höhe des Auslösers verfügt und einige Funktionen dann mit einer Kombination aus Knöpfchen drücken und Rad drehen gelöst werden, sind diese Funktionen bei der D90 separat ohne zusätzliches Drücken erreichbar. Die Funktionen der Einstellräder hängen davon ab, was man gerade macht. Das Hauptrad ist das hintere, mit ihm lassen sich bei Auswahl einer Funktion (z.B. ISO-Einstellung) die verschiedenen Werte durchblättern. Bei manueller Belichtungssteuerung wird am hinteren Rad die Belichtungszeit eingestellt, am vorderen dann die Blende. Diese Funktion kann man sich ganz einfach merken, wenn man einmal mit alten mechanischen Kameras gearbeitet hat: am Objektiv wurde die Blende verstellt (darum das vordere Einstellrad, auf der Seite des Objektivs), oben am Gehäuse die Zeit (darum das Gehäuseseitige, hintere Einstellrad für die Zeit).
Das zweite Einstellrad ist eine der wesentlichen Gründe für alle, die nicht nur im reinen Automatik-Modus arbeiten wollen (oder ein späteres „Wachstum“ nicht ausschliessen möchten), die D90 statt der kleineren Schwestern zu kaufen. Der direkte Zugriff auf Funktionen macht die Bedienung wesentlich einfacher und schneller.
Ein weiteres Detail, das die D90 von der D40/D60 unterscheidet, ist ein kleiner Hebel ein Stück unterhalb des hinteren Drehrades, mit einem Punkt und dem Buchstaben „L“ zur Auswahl. Dieses Hebelchen blockiert in der Position „L“ (für LOCK) die Schaltwippe, so dass man nicht aus Versehen einen anderen Fokus-Sensor auswählt, wenn man z.B. mit dem mittleren arbeiten möchte. Wer die Scharfstellung nicht komplett der Kamera überlässt, sondern selber Einfluss nehmen möchte, dem sei die D90 alleine aus diesem Grund schon empfohlen. Ich habe mehr als ein Bild an der D40 verschossen, weil ich aus Versehen an die Schaltwippe gekommen war und der Fokus an einer Stelle gemessen wurde, die ganz jenseits der Realität lag.
Die Speicherkarte
Auf der rechten Seite (vom Fotografen aus gesehen) befindet sich die Klappe, unter der die SD- oder SDHC-Karte haust. Sehr praktisch, ohne separaten Hebel, sie wird zum öffnen einfach nach hinten gezogen, eine Feder hält sie dann offen. Die Verwendung von SDHC-Karten ist ein Segen für alle, die von der D40/D60/D80 kommen, ein Fluch für D70-Fotografen, die ihre schönen CF-Karten erst einmal in Pension schicken dürfen. Allgemein halte ich die SD-Karten in diesem Bereich für eine ganz gute Lösung, da auch viele Laptops und andere Speichereinrichtungen über einen solchen Slot verfügen und die Daten ohne Zusatzgeräte und ohne die Kamera über USB verbinden zu müssen schnell auf ein Speichermedium übertragen werden können. Wirklich mögen tue ich sie aber auch nicht, zu klein, zu leicht, vor allem im Getümmel einer Hochzeit oder eines Festes ist mir die robuste CF-Karte doch lieber. Aber das ist Geschmackssache.
Erstellt am November 19, 2008
Letzte Änderung am Dezember 31, 2020
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